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Kann Künstliche Intelligenz Personas erstellen?
Consult KI Personas
29.11.2022
7 min. read
Immer mehr Unternehmen entdecken die Vorzüge von KI und Machine Learning, auch weil ihre Anwendung immer einfacher wird. Diese Entwicklung macht natürlich nicht vor dem Marketing Halt: von der Realtime-Preisoptimierung über die Personalisierung von Kund:innenbedürfnissen bis hin zur Erstellung von Content und zum Beispiel Personas profitieren Marketer von AI. Letzteres haben wir uns ein bisschen genauer angeschaut: Personas aus der AI, der TMC-Check. Los geht’s.
Kurz zur Begriffserklärung: Für uns ist „AI im Marketing“ alles, was vorhandene (Kund:innen-)Daten mithilfe von Algorithmen nach spannenden, interessanten und neuen Mustern untersucht und entsprechende Ergebnisse hervorbringt. Personas definieren wir als die Zusammenfassung aller kaufrelevanten Faktoren von Entscheidungsträger:innen oder Konsument:innen, erhoben durch Interviews oder Umfragen.
Sind AI-Personas „a thing“?
Wenn du jetzt zum ersten Mal von Personas liest, die durch AI erstellt werden, wirst du dich sicher fragen: Gibt es überhaupt schon Angebote in der Richtung? Und die Antwort ist: Oh. Ja. Es gibt erstaunlich viele Anbieter im Bereich der AI-generierten Personas. Hier sind ein paar Beispiele:
- Delve.ai verspricht „Live Personas“ herzustellen. Alles, was der oder die Kund:in dafür tun muss: Dem Unternehmen einen Zugang zum eigenen Google-Analytics-Account geben. Die Algorithmen tun den Rest, erstellen Personas anhand der demografischen Daten und dem Verhalten, das sich anhand von Google Analytics eruieren lässt – und das quasi in Realtime. Der Service schlägt dann Targeting-Aktivitäten vor.
- Das Unternehmen Mnenomic AI geht mit „dynamischen Personas“ einen anderen Weg. Die KI des Unternehmens „versteht die menschliche Sprache und durchkämmt Umfragen, Bewertungen, Dokumente und soziale Medien, um in all dem Rauschen wichtige Erkenntnisse zu gewinnen.“ Das Ergebnis sind die bekannten Persona-Karten.
- Bei der Firma epic insights heißt das Vorgehen „Fluide Personas“, die insbesondere durch den Einbezug großer (Onlineshop-)Datenmengen von ALLEN Nutzer:innen ein vollständiges und „reales“ Bild geben sollen – eben auch von den Abbrecher:innen. Das soll dazu beitragen, vor allem Online-Angebote für weitere Käuferschichten und deren Interessen zu optimieren.
- Sehr selbstbewusst ist auch die Firma ERASON, die mit “AIlon” den (Zitat) „weltweit akkuratesten Algorithmus, um Produkt- und Markenaffinitäten zu berechnen“ erschaffen hat.
Das war für mich Grund genug, mir AIlon mal etwas genauer anzusehen. Das findest du weiter unten. Neben den obigen Anbietern, die Personas nach eigener Aussage komplett erstellen, kann KI aber auch eine eher unterstützende Funktion einnehmen, zum Beispiel:
1. Die Verwendung von Social-Media-Daten: Viele Unternehmen nutzen soziale Medien, um mit ihren Kund:innen in Kontakt zu bleiben. Diese Plattformen bieten eine reiche Quelle an Daten, die für die Erstellung von Personas genutzt werden können. Unternehmen können zum Beispiel die Aktivitäten ihrer Follower auf sozialen Medien analysieren, um herauszufinden, welche Themen für sie relevant sind. Auf Basis dieser Informationen können Unternehmen dann eine Persona erstellen, die diese Interessen abdeckt.
2. Die Verwendung von Suchmaschinendaten: Wenn Menschen nach Produkten oder Dienstleistungen suchen, geben sie häufig bestimmte Schlüsselwörter (Keywords) ein. Diese Keywords können verwendet werden, um herauszufinden, welche Bedürfnisse und Motive hinter der Suche stecken. Auf Basis dieser Erkenntnisse können dann entsprechende Personas erstellt werden.
3. Die Verwendung von Kund:innendaten: Viele Unternehmen sammeln bereits Daten über ihre Kund:innen, zum Beispiel durch das Ausfüllen von Online-Formularen oder durch die Teilnahme an Umfragen. Diese Daten können genutzt werden, um tiefere Einblicke in die Bedürfnisse und Motive der Kund:innen zu erhalten und entsprechende Personas zu erstellen.
4. Die Verwendung von Web-Analyse-Daten: Jede Website hinterlässt Spuren in Form von Datensätzen (Logfiles), wenn Besucher:innen die Seite aufrufen. Diese Datensätze enthalten Informationen über die besuchten Seiten sowie über Suchanfragen und das Klickverhalten. Auf Basis dieser Daten können Unternehmen Rückschlüsse über die Bedürfnisse ihrer Website-Besucher:innen ziehen und entsprechende Personas erstellen.
5. Die Verwendung von KI-gestützten Analyse-Tools: Es gibt mittlerweile eine Reihe von Tools auf dem Markt, die es Unternehmen ermöglichen, mithilfe von KI tiefere Einblicke in die Vorlieben und Bedürfnisse ihrer Kundschaft zu erhalten. Diese Tools nutzen unterschiedliche Ansätze, um an diese Information zu gelangen.
Wie funktionieren die „Persona-Algorithmen“?
Schauen wir doch einem dieser Algorithmen bei der Arbeit zu, um zu sehen, wie sie funktionieren. Die Erfinder von AIlon sagen, dass dank ihres „algorithmischen Allesfressers“ die klassischen Personas Vergangenheit sein werden. Ok, das will ich mir genauer ansehen. Glücklicherweise gibt es für AIlon auch einen Testzugang, den ich allen ans Herz lege, die sich mit dem Thema einmal etwas näher beschäftigen wollen.
Das Prozedere sieht vor, dass ich zunächst ein Projekt anlege, unter dem dann mehrere Zielgruppen geplant und von der „Maschine“ berechnet werden. Um das Ergebnis von AIlon gut abschätzen zu können, nehme ich als Grundlage für meinen Test die Persona eines Kunden, die wir bei TMC erstellt haben (ohne KI).
„Stop the guesswork“? Nicht ganz.
Jetzt bin ich erst einmal gefragt. Ich soll die Zielgruppe „definieren“, was so viel bedeutet wie: Ich soll der Zielgruppe bestimmte Attribute zuweisen. Ich kann bei dieser Zuweisung auch klassische UND/ODER-Beziehungen herstellen, also bestimmen, welche Attribute zwingend in den Algorithmus einbezogen werden sollen und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Das klingt doch gut.
Die Attribute selbst stellen mich jetzt allerdings vor ein Problem. Denn ich soll beispielsweise wissen,
- für welche Social-Media-Kanäle die Zielgruppe eine Vorliebe hat,
- ob sie aufgeschlossen für neue Entwicklungen ist,
- wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie Interesse an Autos hat (und an welchen Marken im Besonderen),
- ob sie eher städtisch oder ländlich lebt
… und vieles mehr. Die KI will auch wissen, wie die Zielgruppe zum Christentum steht, ob sie ein Aufenthalt im Garten entspannt oder ob die Globalisierung bei der Zielgruppe zu Nachteilen geführt hat, kurz: Ich muss meine Zielgruppe schon sehr gut kennen, um den Algorithmus zu füttern. Oder die Attribute halt schätzen. Das ist komisch, denn AIlon wird mit dem Satz „Stop the guesswork“ angepriesen. Ich muss die oben aufgeführten Beispiele natürlich nicht in die Definition einfließen lassen. Die Frage ist nur, wie genau das Ergebnis ist, wenn mein Input nur an der Oberfläche bleibt. Mich beschleicht das Gefühl: Um AIlon nutzen zu können, muss ich meine Buyer Persona schon fertig haben, oder ich bekomme kein ausreichend differenziertes Ergebnis. Aber hatten die Entwickler nicht gesagt, die klassische Personas sei dank AIlon Vergangenheit? Hm.
Das AIlon-Ergebnis
Zurück zur Testberechnung: Ich habe die Definition meiner Zielgruppe recht einfach gehalten, um ein schnelles erstes Ergebnis zu bekommen. Spannend bei AIlon ist: Die Grundgesamtheit aller Daten umfasst erstmal alle Menschen in Deutschland ab 18 Jahren, also 67,8 Millionen Menschen. Mit jedem Attribut, das ich meiner Definition hinzufüge, sinkt die Zahl derer, die noch in meine Zielgruppe passen. „Potenzial“ nennt AIlon das. In meinem Fall ist nach fünf Attributen Schluss: Jedes weitere Attribut würde die Zielgruppe zu klein machen. Mein Potenzial sind 679.350 Menschen. Damit habe ich zwar noch lange nicht alle Informationen aus der TMC-Buyer-Persona eingegeben, aber es geht hier ja um einen ersten Test. Ich starte die KI und nur wenige Minuten später informiert mich eine E-Mail darüber, dass meine Zielgruppe jetzt berechnet ist.
Das Ergebnis ist auf den ersten Blick sehr gut strukturiert. Ich erhalte komplett formulierte Sätze in den drei Kategorien
- Sozio-Demografie,
- Persönlichkeit und Werte sowie
- Lebensstil, Konsum und Freizeit.
Was allerdings dort steht, ist ein wenig ernüchternd. Obwohl ich angegeben habe, dass meine Zielgruppe neuen Entwicklungen sehr aufgeschlossen gegenübersteht, sagt das Ergebnis: „Die Zielgruppe ist wenig experimentierfreudig.“ Sehr genau werde ich darüber informiert, wie viel Prozent der Zielgruppe welcher Religionsgemeinschaft angehören. AIlon sagt mir auch, dass „einige“ in meiner Zielgruppe ein Haustier haben, und zwar meist eine Katze. Und das Median-Haushaltseinkommen der Zielgruppe liegt bei 5.379 Euro. Meine Zielgruppe kauft am liebsten im Supermarkt ein, ergänzt um Käufe beim Discounter. Kleidung, Möbel und „anderes“ findet meistens online statt. Meine Zielgruppe mag Pizza, Tiefkühlkost und Mineralwasser. Die Zielgruppe mag zudem Grillen, Smoothies und Nüsse. Okay.
Wer sich mit allgemeinen Statistikdaten ein bisschen auskennt, wird hier keine großen Überraschungen finden. Katzen sind nun einmal das am häufigsten vorkommende Haustier in Deutschland. Die Angaben zur Religionszugehörigkeit liegen etwas über dem Bundesdurchschnitt. Und laut Destatis kaufen Deutsche Kleidung am allerliebsten online ein. Grillen zählt zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen, Statista hat sogar eine eigene kleine Sammlung zum Thema „Statistiken zum Grillen in Deutschland“.
Ich habe also in wenigen Minuten Arbeit Informationen erhalten, die ich wahrscheinlich sonst in ein bis zwei Stunden Arbeit auch gefunden hätte, einen Zugang zu Statistikportalen vorausgesetzt. Das ist erst einmal ein zeitlicher Vorteil – im Rahmen des Testzugangs sogar kostenlos.
Ist die klassische Buyer Persona obsolet?
Bei den Informationen (ich habe nur ein paar Beispiele genannt, es gab noch mehr), die AIlon mir geliefert hat, ist die Frage nach der Geschwindigkeit allerdings sekundär. Viel wichtiger ist die Frage nach der Relevanz. Brauche ich diese Informationen, wenn ich herausfinden will, welche Faktoren für Käufer:innen eines Produkts oder einer Dienstleistung wichtig sind? Meine Antwort darauf ist ein standfestes „Jein!“. Denn einerseits hat AIlon die Ergebnisse unserer TMC-Persona in einigen Bereichen weit verfehlt. Das betrifft zum Beispiel das Einkommen und das Alter. Andere Informationen lassen sich nicht vergleichen, denn wir haben in den Umfragen, die wir zur Persona-Erstellung durchgeführt haben, nicht nach Mineralwasser und Tiefkühlpizza gefragt. Diesen Angaben muss ich also vertrauen, wenn ich daraufhin beispielsweise meine Mediaplanung und den Werbe-Content erstelle. Und wieder andere Informationen sind für den Kauf des Produkts wenig relevant, zum Beispiel die Religionszugehörigkeit.
Um Personas zu ersetzen, müsste die KI die klassischen „5 rings of buying insight“ ausgeben, also Fragen beantworten können wie:
- Welche Hürden gibt es beim Kauf des Produkts, um das es geht?
- Was ist der entscheidende Gedanke oder die entscheidende Situation, die zum Kauf angeregt hat?
- Welchen Weg ist der Käufer/die Käuferin gegangen, um zum Produkt zu kommen?
- Welche Kriterien sind dabei wichtig gewesen?
Sprich: Die absolute Basis für eine gute Buyer Persona fehlt mir bei AIlon. Ich denke daher, dass AIlon sicher eine mächtige Rechenmaschine ist, die einen großen Datensatz anhand der gesetzten Attribute schnell auswerten kann. Ob das schon „Intelligenz“ ist, diese Frage würde an dieser Stelle zu weit gehen. Aber: Ich habe eine sehr einfache, schnelle Zielgruppendefinition erstellt und in wenigen Minuten ein passables Ergebnis erhalten, das die statistische Situation in Deutschland gut wiedergibt. Um eine Zielgruppe grob einzuordnen, hätte AIlon mir sehr geholfen. Eine Persona ersetzt das allerdings aus meiner Sicht nicht.
Mein Fazit für die Erstellung von Personas durch KI lautet:
Es geht weiterhin nichts über die persönliche Befragung von Menschen, wenn man qualitativ hochwertige Personas herstellen will. Im Gespräch mit den Entscheider:innen eines Unternehmens merke ich, ob die Frage richtig verstanden und ausreichend beantwortet wurde – und kann bei Bedarf noch etwas weiterbohren. KI-Unterstützung kann dabei hilfreich sein, weil sie die Informationen und das Verhalten vieler tausender Menschen im Netz auswertet. Wenn der Weg einer Kaufentscheidung nicht oder nur teilweise über das Internet abläuft, entstehen in den Auswertungen von KI eventuell Lücken, die wir wie bei der “Survivorship Bias” gern übersehen. Wer sich zum Beispiel beim Kauf eines technischen Geräts im Netz und bei Nachbarn, Arbeitskolleg:innen und im Einzelhandel informiert, dessen Customer Journey kommt in den KI-generierten Ergebnissen schlicht nicht vor. Noch schwieriger wird das bei der unternehmensseitigen Beschaffung, wo ein Großteil der Kaufprozesse und -Entscheidungen ohne Zuhilfenahme von Suchmaschinen und Onlineshops vonstattengeht.
Aber: Die KI-Tools leisten schon jetzt eine überragende Arbeit, denkt man an die Massen von Daten, die sie teilweise sogar in Echtzeit durchforsten und auswerten. Als Unterstützung bei der Generierung von Personas können sie einen wertvollen Beitrag zur Komplettierung einer Persona leisten.
Übrigens: Ein Textblock dieses Artikels wurde mithilfe eines KI-Texttools erstellt. Kannst du erraten, welcher? ;)